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Am 15. Juli 1941 wurde Olga Dippel Opfer des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms und in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet. Am heutigen 12. November wird ein Stolperstein zu ihrem Gedenken in der Mettmannerstraße 181 im nordrhein-westfälischen Velbert verlegt. Olga Dippel war in den Jahren 1933 bis 1937 Bewohnerin in der damaligen christlichen Pflegeanstalt in der Aue bei Schmalkalden. Mit dem Kunst- und Erinnerungsprojekt Stolpersteine wird deutschland- und europaweit Menschen, die der nationalsozialistischen Rassenpolitik zum Opfer fielen, an deren letztem frei gewählten Wohnort gedacht.

Olga Dippel wurde 1904 im nahe Velbert gelegenen Wülfrath/Rützkausen geboren und verlor früh ihre nahen Angehörigen. Als Bewohnerin der damaligen christlichen Pflegeanstalt in der Aue verbrachte sie die Jahre von 1933 bis 1937 in Schmalkalden. Sie war im April 1933 aus der Heilanstalt Düsseldorf nach Thüringen verlegt worden. Die Diagnosestellungen bei Eintritt in die verschiedenen Anstalten variierten zwischen psychischer Erkrankung und geistiger Beeinträchtigung, die Ursachen für diese unterschiedliche Einschätzung bleiben unklar.

In der Aue bei Schmalkalden wurde Olga Dippel am 20. August 1937 zwangssterilisiert. Wie auch die große Mehrzahl der übrigen Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegeanstalt wurde sie Opfer der vom NS-Regime angeordneten Zwangssterilisationen an Menschen mit geistigen und/oder psychischen Behinderungen. Nur wenige Wochen später, am 22. September 1937, wurde sie mit dem handschriftlichen Vermerk „ungeheilt" in die staatliche Heilanstalt Hildburghausen überführt. Dies war die erste von nachweislich fünf Stationen, sogenannten „Zwischenanstalten", über die sie 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar gelangte. Hier tötete das NS-Regime im Zuge seines verbrecherischen Euthanasie-Programms, der „Aktion T4“, ab Januar 1941 rund 15.000 Menschen. Am 15. Juli 1941 wurde Olga Dippel 36-jährig in Hadamar ermordet.

Aufmerksam gemacht auf das Schicksal von Olga Dippel und ihren mehrjährigen Aufenthalt in der Pflegeanstalt in der Aue hat uns im April 2023 ihre Angehörige Astrid Kunz. Sie recherchiert seit Jahren den Leidensweg, die Entrechtung und Ermordung ihrer Großtante in Archiven, Gedenkstätten und Dokumentationszentren. Sie hat auch die Verlegung des Stolpersteins für Olga Dippel in Velbert beantragt. Bis zu dem Hinweis von Astrid Kunz waren aufgrund der unzureichenden Aufarbeitung und verschleiernden Darstellungen zur Geschichte der Pflegeanstalt in der Zeit von 1933 bis 1945 nur drei andere Bewohnerinnen und Bewohner namentlich bekannt, die dem Rassenwahn des NS-Regimes zum Opfer fielen und ermordet wurden.

Astrid Kunz möchte durch ihre Recherchen und die Stolpersteinverlegung auf das Leben und den tragischen Tod von Olga Dippel aufmerksam machen - ihrer Großtante, die sie nie kennenlernen durfte, „Ich möchte mich dafür einsetzen, dass über Euthanasie offen gesprochen und den Opfern gedacht und ihnen ihre Würde zurückgegeben wird. Dies mit der Hoffnung, dass Menschen mit Beeinträchtigungen mit Respekt behandelt werden und kein Mensch mehr als lebensunwert bezeichnet wird.“

Über das Schicksal der früheren Bewohnerin Olga Dippel haben wir durch das Engagement von Astrid Kunz nun genauere Kenntnis und dokumentieren dies auf unserer Webseite.

Vorranging in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurden nach bisherigem Kenntnisstand mindestens 92 der in der Einrichtung lebenden Menschen unter den NS-Gesetzen zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zwangssterilisiert. Entgegen manch früherer Darstellung, konnte die Einrichtung die ihnen anvertrauten Menschen nicht vor dem Zugriff und den Verbrechen der Nationalsozialisten schützen. Der historischen Verantwortung bewusst, gilt es nun aufzuarbeiten, ob sich unter den ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohnern gegebenenfalls weitere Opfer nationalsozialistischer Verbrechen gegenüber Menschen mit Behinderungen und gegenüber jüdischen Menschen befinden, deren Schicksal noch ungeklärt ist und eine Würdigung erfahren soll.

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